ein Artikel von von Anton Jaekel
Die Einhaltung und Ermöglichung von Menschenrechten können als moralischer Gradmesser politischen Handelns begriffen werden. Inzwischen ist allgemein bekannt, dass die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft, insbesondere des „Globalen Nordens“ zur Eingrenzung der Klimakrise bestenfalls als „ungenügend“ zu bezeichnen sind – die momentanen Ziele führen zu einer Erwärmung von weit mehr als 2,0°C, geschweige denn der Einhaltung der 1,5°C Grenze. Schon in der Verteilung von durch die Klimakrise entstehenden Lasten spiegeln sich massive Ungerechtigkeiten wieder. Insbesondere marginalisierte Gruppen wie Frauen, Kind, indigene Gemeinschaften oder Staaten des „Globalen Südens“ tragen diese Lasten.
Foto: Indigenen Frauen protestieren auf der COP25 in Madrid
Noch klarer werden diese Ungerechtigkeiten, wenn Klimakrise und Klimapolitik unter der Linse von Menschenrechten beachtet werden. Schon jetzt führt die Klimakrise zu massiven Einschränkungen von Menschenrechten. Doch die Verknüpfung zwischen Klimakrise, Klimapolitik und Menschenrechten ist vielschichtiger und von mehr Synergien geprägt, als es zunächst den Anschein hat. Immer mehr Institutionen, beispielsweise CIEL, verweisen auf die enge Verknüpfung von Menschenrechten und Klimakrise. Sie finden sich in internationalen Verträgen, Gerichtsurteilen oder Perspektiven nationaler Menschenrechtsinstitutionen. In den letzten Jahren findet eine verstärkte Anerkennung dieser Verknüpfung statt, wie z.B. in Präambel des Pariser Klimavertrags.
Sie wird offensichtlich, wenn die Folgen der Klimakrise betrachtetet werden. Immer mehr und extremere Wetterereignisse wie massive Regenfälle, längere Trockenperioden und stärkere und vermehrte Wirbelstürme können beispielsweise die Rechte auf Nahrung, Wasser, Gesundheit, Kultur, Selbstbestimmung, und Entwicklung einschränken. Neben diesen extremen Ereignissen können auch langsam beginnende Veränderungen wie der Meeresspiegelanstieg Menschenrechte einschränken. Lokale Gemeinschaften müssen Orte verlassen, an denen sie bisher gelebt haben und ganze Staaten drohen unterzugehen. Eine Konsequenz dieser Veränderungen ist eine Verstärkung der schon stattfindenden klimabedingten Migration. Durch diese erzwungene Form der Migration können weitere Rechte eingeschränkt werden.
Neben den Folgen der Klimakrise können auch Maßnahmen gegen sie Menschenrechte einschränken. Ein gängiges Beispiel sind Infrastrukturprojekte. So haben größere Staudämme, die auch zur Erzeugung erneuerbarer Energie genutzt werden, in der Vergangenheit immer wieder zu massiven Menschenrechtsverletzungen, z.B. durch Vertreibung geführt. Auch unter Mechanismen unter dem Dach der Klimarahmenkonvention wie dem sog. „Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung“ kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen. Ein Beispiel ist der Barro-Blanco Damm in Panama: Im Rahmen des Projekts sollte ein Damm zur Erzeugung von Elektrizität aus Wasserkraft gebaut werden. Vor und im Laufe des Baus kam es zu Konflikten mit der lokalen Bevölkerung, das Recht auf Eigentum und Gesundheit wurden verletzt. Insbesondere wurde aber keine freiwillige, vorhergehende und informierte Zustimmung der lokalen Bevölkerung eingeholt. In diesem Kontext müssen auch die Prozesse, die zu der Implementierung von Maßnahmen mit negativen Auswirkungen auf Menschenrechte betrachtet werden. Auch wenn sie oftmals nicht auf dem öffentlichen Radar erscheinen, kann es hier zur Verletzung von Beteiligungsrechten kommen, beispielsweise indem Gruppen von den Prozessen ausgeschlossen werden.
Doch auch unterschiedliche Ursachen der Klimakrise gehen oft mit einer Verletzung von Menschenrechten einher: In Kolumbien, zum Beispiel in El Hatillo, wird Steinkohle abgebaut, die auch in den Kohlekraftwerken des Globalen Nordens verbrannt wird. Beim Abbau dieser Kohle werden Menschenrechtsverletzungen begangen.
Wie oben angesprochen können Menschenrechte als Gradmesser politischen und gesellschaftlichen Handelns genutzt werden. Neben den oben genannten Aspekten muss auch beachtet werden: Die Staaten des Globalen Nordens haben weitaus stärker zur Klimakrise beigetragen als andere Staaten – die Folgen der Klimakrise tragen aber vorrangig ohnehin schon verletzliche Staaten, die sich im Globalen Süden befinden. Die Klimarahmenkonvention selbst baut auf die Prinzipien gemeinsamer, aber unterschiedlicher Verantwortung und Gerechtigkeit auf.
Darüber hinaus erfordern die zunehmenden Emissionen auch eine ambitionierte Klimapolitik. Hier setzen „rechtebasierte Ansätze“ an. Diese Ansätze basieren auf einem weiten Verständnis von Menschenrechten und zielen auf den Schutz und die Förderung ebenjener Rechte ab: Ihre Einhaltung erfordert einerseits eine ambitioniertere Klimapolitik. Darüber hinaus resultieren rechtebasierte Ansätze tendenziell in einer effektiveren Klimapolitik. Dies liegt unter anderem daran, dass sie inklusiver sind, aber auch einfacher auf das Wissen und Können unterschiedlicher Gruppen zurückgreifen können. Darüber hinaus wird der Mensch wieder in den Mittelpunkt klimapolitischen Handelns gestellt, weg von einer Fixierung auf vorrangig technologische Lösungsmöglichkeiten. Eine daraus resultierende Diskursverschiebung ermöglicht wiederum die Wurzeln der Klimakrise direkt anzugehen. In diesem Sinne stellen rechtebasierte Ansätze einen möglichen Rahmen um Klimapolitik aus einer Perspektive der Klimagerechtigkeit zu bewerten und umzusetzen.