ein Artikel von von Anton Jaekel
Ambitionierte Klimapolitik wird meistens als eine massive Verminderung der Treibhausgasausstoßes verstanden. Doch, inzwischen eine Binsenweisheit: Die Klimakrise ist schon lange existent. Von Jahr zu Jahr müssen immer mehr Menschen mit den Konsequenzen einer sich erwärmenden Atmosphäre umgehen. Klimapolitik umfasst somit auch die Anpassung an die Folgen der Klimakrise. Doch auch dies ist nur bis zu einem gewissen Punkt möglich. An manche Konsequenzen der Klimakrise ist keine Anpassung möglich. Dies gilt für langsame, aber stetige Veränderungen wie den Anstieg des Meeresspiegels wodurch ganze Staaten unterzugehen drohen, Trinkwasserreserven knapp und Böden durch Versalzung unfruchtbar werden. Es gilt auch für extreme Wetterphänomene, die häufiger und intensiver auftreten, beispielsweise Dürren und Wirbelstürme. Wenn Anpassung nicht mehr möglich ist oder Anpassung gegen Auswirkungen der Klimakrise nicht wirksam ist, dann geht es um „Verlust und Schaden“. Dennoch gibt es für „Verlust und Schaden“ keine international allgemein anerkannte Definition. Dazu trägt auch bei, dass die Grenze zwischen Anpassung und „Verlust und Schaden“ eine fließende sein kann.
Lange Zeit wurde erst Minderung und später auch Anpassung als thematische Säulen internationaler Klimapolitik betrachtet. Auf der 21. Klimakonferenz gelang mit der Aufnahme eines Artikels zu „Verlust und Schaden“ in den Pariser Klimavertrag ein großer Erfolg. Seitdem kann dieser Themenbereich getrost als dritte Säule betrachtet werden. Ein vierter Themenbereich ist Finanzierung. Darauf kommt der Artikel weiter unten zu sprechen.
Doch wie hängt dies nun mit Klimagerechtigkeit zusammen?
Im Kontext von Anpassung umfasst Klimagerechtigkeit Gerechtigkeit in Hinblick auf Verteilung und Prozesse. Erstere fokussiert sich darauf, wie die Lasten und Risiken der Klimakrise verteilt sind. Es handelt sich um Fragen der Verteilung von Geldern vom Globalen Norden an den Globalen Süden, die Verteilung der Menge des Geldes von Geber*innen aus dem Globalen Norden unter Berücksichtigung dortiger Herausforderungen durch den Klimawandel, die Verteilung des Geldes sowie positiver und negativer Folgen von Anpassungsmaßnahmen im Globalen Süden. Grundlegend ist auch die Form der Verantwortung des Globalen Nordens von großer Bedeutung. So haben einige Staaten des Globalen Nordens weit mehr zur Klimakrise beigetragen als andere. Der zweite Aspekt von Gerechtigkeit bezieht sich auf Prozesse im Kontext politischer Entscheidungen, die in Bezug auf Klimaanpassungsmaßnahmen getroffen werden. Es geht darum, wessen Interessen bei Entscheidungen und Planungsprozessen Berücksichtigung erfahren, welche Akteur*innen einbezogen werden und wer welchen Einfluss auf die Planungen und Entscheidungen besitzt. Aus Perspektive betroffener Gruppen sind die Anerkennung ihrer Bedürfnisse und Forderung, wirkmächtige Beteiligung, freier Konsens und das Anhören von ihnen bedeutsam.[1]
Das Ziel von „Verlust und Schaden“ ist letztlich nicht Veränderungen in einem tolerablem Maß zu halten. Es geht vielmehr um die Minimierung von Risiken und Schäden, die durch die Klimakrise auftreten, aber nicht verhinderbar sind oder wenn Maßnahmen für „Verlust und Schaden“ über Anpassung hinaus gehen.[2],[3] Vor diesem Hintergrund geht es bei Gerechtigkeit im Bereich von „Verlust und Schaden“ nicht nur um Verteilung, sondern auch um Kompensation für erlittenen Schäden und Verluste.
Gerechtigkeit „Verlust und Schaden“ auf der 25. Weltklimakonferenz?
In Kontext von Anpassung sowie „Verlust und Schaden“ ist Finanzierung (im Sinne von: „Wer trägt welche Lasten?“) immer wieder ein wichtiger Verhandlungsaspekt. Aufgrund der Aktualität setzt dieser Absatz einen Fokus auf „Verlust und Schaden“, genauer gesagt den „Warschau-Mechanismus“, auch WIM genannt. Der WIM wurde 2013 auf der Klimakonferenz in Kattowitz ins Leben. Der WIM zielt auf eine Unterstützung des Globalen Südens mit Geldern, Technologie und dem Aufbau von Kapazitäten zum Umgang mit „Verlust und Schaden“ durch den Globalen Norden ab.[4] Auf der diesjährigen Klimakonferenz wurde die Weiterentwicklung dieses, durch einen Mangel finanzieller Mittel bisher weitestgehend ineffektiven Mechanismus, diskutiert. Ziel vieler Staaten, die gegenüber dem Klimawandel besonders verletzbar sind, war diesen Mechanismus mit mehr Kapazitäten, insbesondere in finanzieller Hinsicht, auszustatten. Es gab minimale politische Fortschritte – allerdings keine zusätzliche Finanzierung. Der zentrale Aspekt der Finanzierung wurde somit vernachlässigt.
Dazu trugen auch die Vereinigten Staaten bei, die medial als Blockierer der Verhandlungen verstanden wurden. Es stellte sich die Frage, ob der Warschau-Mechanismus gegenüber allen Staaten der Weltklimarahmenkonvention oder nur gegenüber den Staaten des Pariser Klimaabkommens (die Vereinigten Staaten bereiten momentan als einziger Staat den Austritt aus dem Abkommen vor) rechenschaftspflichtig sein sollte. Die USA traten für eine Rechenschaftspflicht gegenüber den Staaten des Pariser Klimavertrags ein. Resultat wäre, dass die sie von jedweden Entscheidungen zu „Verlust und Schaden“ nicht betroffen wären. Dies hätte eine Entbindung von Verantwortung, insbesondere in Hinblick auf Geldfragen bedeutet. Für den Fall einer Rechenschaftspflicht des Warschau-Mechanismus gegenüber allen Staaten der Weltklimarahmenkonvention traten die Vereinigten Staaten mit einem ähnlichen Ziel für eine Verknüpfung mit einer Zusatzentscheidung zum Pariser Klimavertrag ein. Paragraph 51 dieser Zusatzentscheidung legt fest, dass „Verlust und Schaden“ im Rahmen des Pariser Klimaabkommens keine Grundlage für Kompensationsforderungen dargstellt. Die Chilenische Präsident*innenschaft der Klimakonferenz deutete letztlich an, dass es zur Rechenschaftspflicht keine Entscheidung geben würde.[5]
Aus Gerechtigkeitsperspektive ist diese Entscheidung letztlich ungerecht: Staaten des Globalen Südens schultern weiterhin die Hauptlast im Umgang mit den Konsequenzen der Klimakrise. Zudem wird versucht Fragen der Kompensation und Haftbarkeit auszuschließen. Und letztlich wurde den Interessen von Staaten, die dem Klimawandel gegenüber besonders verwundbar sind, nicht entsprochen.
[1]Adger und Paavola (2002): Justice and Adaptation to Climate Change. Tyndall Centre Working Paper No. 23.
[2]Walliman-Helmer (2015): Justice for Climate Loss and Damage. In: Climatic Change (133), 469-480.
[3]Walliman-Helmer et al. (2019): The Ethical Challenges in the Context of Climate Loss and Damage. In: Mechler et al. (Hrsg.): Loss and Damage from Climate Change. Concepts, Mehtods and Policy Options. 39-62
[4]https://www.climatechangenews.com/2019/12/03/loss-damage-pays-impacts-heated-earth/